Es muss nicht immer die große Blende sein

Der weiche Hintergrund hebt das Motiv hervor

Die meisten Fotografen lieben die Unschärfe hinter dem Motiv, weil sie das Motiv im Foto von seiner Umgebung abhebt: Dafür ist die kurze Schärfentiefe der großen Blenden gefragt.

Auch wenn die große Blende das bevorzugte Mittel für einen unscharfen Hintergrund ist – sie ist nicht das alleinige Instrument, sondern Abbildungsgröße, die Größe des Sensors und die Entfernung zwischen Motiv und Hintergrund haben ein großes Gewicht.

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Bei kleinen Motiven ist die große Blende tatsächlich der wichtigste Faktor.

Scharfes Motiv, weicher Hintergrund

Die Unschärfe des Hintergrunds ist nur auf den erste Blick der einfachste Weg zur Trennung von Motiv und Umgebung. Schon bei einem Porträt von Kopf bis Fuß erzielt nur ein Vollformatsensor und eine große Blende mit einer großen Brennweite (Motiv heranzoomen) eine deutliche Unschärfe hinter dem Motiv. Wenn diese Mittel nicht zur Verfügung stehen, müssen andere Mittel für die Trennung vom Hintergrund sorgen oder den Hintergrund in die Bildgestaltung einbeziehen.

Hintergrund unscharf Abbildungsgröße
Blende F/3,5 und Brennweite 85 mm mit Vollformatsensor
Hintergrund unscharf lange Brennweite
Blende F/4 und Brennweite 200 mm mit Vollformatsensor

Die Faktoren hinter dem unscharfen Hintergrund

Die Schärfentiefe wird bei gleicher Blende um so kürzer, je größer ein kleines Motiv ins Bild gesetzt wird. Bei Nahaufnahmen von Blumen, Schmetterlingen und Vögeln kommt also sofort eine weicher Hintergrund in das Foto. Dann kommen auch Kompaktkameras und selbst das Handyfoto an eine sichtbare Auflösung des Hintergrunds.

Bei einer Entfernung von nur drei oder vier Metern vom Motiv sehen wir schon, dass die Blende nur einen geringen Unterschied beim Bokeh (der schönen Unschärfe vor und hinter dem Motiv) macht. Besser ist es sogar, nicht gleich zur Offenblende – der größten Blende des Objektivs – zu greifen. Dafür aber kommt die brillante Schärfe des Objektivs zum Vorschein, die Fehler des Objektivs verschwinden. So wirkt das Bild viel plastischer und der Unterschied zwischen Motiv und Hintergrund wirkt tatsächlich größer.

Die Brennweite – einige Schritte zurück und das Motiv wieder groß ins Bild zoomen – ist ein weiterer Faktor für einen aufgelösten Hintergrund.

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Bridgekamera (Panasonic DC-FZ82), f/2.8 3,60 mm (in 35 mm: 20 mm)
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APSC-Kamera (Nikon D5000), f/5.6 105 mm (in 35 mm: 157 mm)
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Bridgekamera (Panasonic DC-FZ82), f/5.6 74 mm (in 35 mm: 413 mm)

Selbst die Bridgekamera bringt einen weichen Hintergrund zum Vorschein, wenn ihre Zoomobjektiv gezielt eingesetzt wird. Bei etwa 80mm (beim Kleinbildform) beginnt die schmeichelnde Brennweite für das Portrait.

Bildgestaltung mit Raum und Schärfe

Aber der weiche unscharfe Hintergrund ist nicht das einzige Mittel, das Motiv und Hintergrund trennen kann. Wenn wir uns aber die Fotografie aus der ersten Hälfte des 20sten Jahrhunderts ansehen, dann waren Raumaufteilung und lange Schärfen das bevorzugte Gestaltungsmittel.

Neben der Unschärfe hinter dem Motiv gibt es viele Gestaltungsmittel: Den Vordergrund durch eine kürzere Brennweite betonen oder die Trennung des Motivs vom Hintergrund durch unterschiedliche Helligkeiten. Da muss man nur sein Motiv mit dem aufmerksamen Auge des Fotografen umkreisen.

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Blende F/4 und Brennweite 200 mm – Bei größerer Entfernung zum Motiv verhelfen weder Blende noch Vollformatsensor zur Hintergrundunschärfe, dem Bokeh. Stattdessen trennen Helligkeit und Farben die kleine Gruppe und das marode Jagdschloss vom dunklen Wald.

Fotografische Unschärfe

Bei großen Motiven und einer größeren Entfernung darf abgeblendet werden (eine kleinere Blendenöffnung wählen, also lieber Blende F/8 als Blende F/3.5): Die große Blende bringt sowieso keine trennende Unschärfe, sondern weniger Gesamtschärfe und Kontrast, dafür mehr Vignettierung.

Landschaftsfotografie und Architektur profitieren von den mittleren Blenden des Objektivs, meist irgendwo um Blende F8 herum. Hier ist das ganze Bild das Motiv.

Blende F2 Blende F2: Die große Blende bringt weder ein Bokeh – Unschärfe hinter dem fokussierten Motiv – noch eine überzeugende Gesamtschärfe
Blende F8 Blende F8: Mit Blende F8 hingegen zeigt sich eine schöne Gesamtschärfe.
F2 Ausschnitt F2 Ausschnitt: Der Ausschnitt aus dem Foto mit Blende F2 zeigt, das weder das fokussierte Motiv in der Mitte noch der Hintergrund scharf geworden sind.
F8 Ausschnitt F8 Ausschnitt: Für größe Motive ist eine mittlere Blende fast immer die bessere Einstellung.

So, trotz alledem ist die Lichtstärke eines Objektivs immer noch ein großer Sprung für die Qualität, auch wenn die größte Blende, die Offenblende, gar nicht so oft eingesetzt werden muss. Ein lichtstarkes Objektiv bringt einen helleren Sucher, in dem wir die Schärfe mit bloßem Auge besser erkennen, denn der Blick durch den Sucher ist immer der Blick durch die offene Blende.

Der Autofokus ist bei lichtstarken Objektiven schneller. Die meisten Kreuzsensoren des Autofokusfeldes reagieren erst ab Blende F2,8 als Kreuzsensoren. Bei kleineren Blende sind die besonders empfindlich ausgelegten Fokusfelder einfache Fokusfelder.

Die große Blende: mit Fehlern belastet

Die größte Blende des Objektivs zeigt selten die beste Seite des Objektivs. Tatsächlich werden die Fehler eines Objektivs bei der größten Blende am deutlichsten sichtbar:

  • Eine insgesamt weniger gute Gesamtschärfe
  • Die Farben sind weniger brillant, insgesamt ist das Foto mit der offenen Blende oft kontrastarm.
  • Das Bild wird zu den Ecken hin unschärfer und dunkler: Vignettierung.
  • Bei feinen Details – vor allem bei Gegenlicht – treten Farbsäume an den Konturen feiner Details zum Vorschein.
Farbsäume bei großen Blenden
Die große Blende zeigt selbst in der Verkleinerung Farbsäume um feine Strukturen.
Abblenden
Ein oder zwei Blenden abblenden – das kostet nur wenig Bokeh
Farbsäume Vergrößerung
Solche Farbsäume verhindern so manch einer Vergrößerung

Das Foto mit der großen Blende und dem schönen Unschärfenkreisen im Hintergrund hat natürlich seinen Reiz. Um ein oder zwei Blenden abgeblendet ist das Bokeh bei vielen Objektiven nicht mehr ganz so schön.

Immer diese Zwickmühlen! Bei diesem Beispiel hätte es vielleicht schon gereicht, eine etwas andere Aufnahmeposition zu wählen, damit das Gegenlicht milder ausfällt und damit auch die Farbsäume. Dafür aber muss man sein Objektiv gut kennen, denn weder im Sucher noch auf dem Monitor treten die Unterschiede so deutlich hervor.

Der Rettungsanker ist die Objektivkorrektur. Viele Kameras haben die Objektivkorrektur bereits in ihrem Menüs und erkennen und beheben nicht nur die Fehler der eigenen Objektive, sondern auch die anderer Hersteller.

Die Objektivkorrektur im RAW-Programm mildert von der Vignettierung über tonnen- und kissenförmige Verzeichnung bis hin zu den Farbsäumen viele Objektivfehler und belebt so manch ein altes und preiswertes Objektiv. Auch für Aufnahmen im JPG-Format wird heute in Photoshop, Lightroom und Darktable eine Objektivkorrektur angeboten. Und das beste daran: Objektivkorrekturen sind einfach und intuitiv.