Verzeichnet und verformt
Die Fotografie kennt zwei Arten von Verzeichnung oder Verzerrung: Die optische Verzeichnung entsteht durch Konstruktion der Linsen des Objektivs, die perspektivische Verzeichnung durch eine gekippte oder gedrehte Kamera.
Eine optische Verzeichnung entsteht durch das optische Design der Linsen und biegt gerade Linien zu Kurven. Die Fotografie spricht von tonnenförmigen und kissenförmigen Verzeichnungen.
Die verschiedenen Arten der Verzeichnung
Perfekte Objektive sind selten. Gerade Objektive mit einem großen Zoombereich leiden gleich unter mehreren Verzeichnungen bei den sehr kleinen und den sehr großen Brennweiten.
Die sehr guten Objektive (mit einem kleinen Brennweitenbereich oder Festbrennweiten) haben zusätzliche Linsenelemente, um Verformungen so weit zu minimieren, dass sie für das Auge nicht mehr wahrnehmbar sind.
Tonnenförmige Verzeichnung bei kleinen Brennweiten
Tonnenförmige Verzeichnungen entstehen, wenn das Bildfeld wesentlich weiter ist der Sensor und sozusagen ins Foto gequetscht werden. Die Verzeichnung wird besonders zu den äußeren Ecken sichtbar, während die Mitte relative gerade bleibt. Selbst Festbrennweiten mit sehr kleinen Brennweiten können eine leichte tonnenförmige Verzeichnung zeigen.
Die zusätzlichen Linsenelemente, die zur Kompensation der Abweichungen eingesetzt werden, machen das Weitwinkel schwer und groß.
Die RAW-Programme, Lightroom und Darktable und überhaupt die meisten Bildbearbeitungsprogramme können Verzeichnungen mehr oder weniger gut korrigieren, wenn das Programm ein Profil für das jeweilige Objekte an der jeweiligen Kamera hat.
Kissenförmige Verzeichnung
Die kissenförmige Verzeichnung entsteht bei größeren Brennweiten – Teleobjektive – und ist selten so deutlich wie tonnenförmige Verzeichnungen.
Canon EF 70-200mm f/4 L IS USM bei 200mm. Nur die Mauer mit der Regenrinne ganz links im Bild zeigt den ausgeprägten Bauch der geraden Linien.
Perspektivische Verzeichnung
Die übermäßige Vergrößerung und Verformung der Objekte im Vordergrund bei Weitwinkelaufnahmen wird als perspektivische Verzeichnung bezeichnet und ist kein Fehler des Objektivs.
Auch wenn diese Effekte großer und kleiner Brennweiten (Tele und Weitwinkel) nicht immer willkommen sind – Brennweite und Perspektive gehören ins Repertoire der bewußten Bildkomposition und betonen Nähe und Entfernung.
Objektivkorrektur / Objektivkompensation in der Kamera
Die hochpreisige Oberliga (Prime Lens) der Objektive korrigiert Fehler schon durch die Objektivkonstruktion. Das schlägt sich nicht nur im Preis nieder, sondern auch in einem höheren Gewicht und einer größeren Bauweise.
Mit der Nikon 5000 hielt die Objektivkorrektur in der Kamera Einzug – ein Kompromiss, der nicht nur Hobbyfotografen entgegen kommt, sondern auch vielen Berufsfotografen. Die Objektivkorrektur in der Kamera bringt natürlich keine stürzenden Wände ins Lot, sondern verringert die typischen Fehler wie tonnen- und kissenförmige Verzeichnung, Vignettierung und Farbsäume. Selbst einem erfahrenen Fotografen fällt es schwer, die Objektivkorrektur per Software von der Korrektur durch zusätzliches Glas zu unterscheiden.
Damit die Objektivkorrektur oder Objektivkompensation schon in der Kamera durchgeführt werden kann, muss das Profil des Objektivs allerdings vom Kamerahersteller mitgeliefert werden.
Objektivkorrektur im Bildbearbeitungsprogramm
Die Objektivkompensation in der Kamera ist eine Gewissensfrage – einschalten oder nicht einschalten? Wenn die Kamera die Objektivkorrektur nicht nur bei JPG, sondern auch bei RAW-Aufnahmen ausführt, könnten wir auf die Zukunft setzen: Die RAW-Programme werden immer raffinierter, die Profile neuer Objektive und auch verbesserter Objektivprofile kommen als Update der RAW-Programme. Firmware-Updates für die Kamera mit neuen Objektivprofilen bleiben nach einigen Jahren hingegen aus.
Objektivkorrekturen wirken nicht nur auf RAW-Programme, sondern lassen sich in den aktuellen Programmen auch bei JPEG / HEIF / HIF anwenden. Heute bringen die Bildbearbeitungsprogramme diese Funktion i.d.R. mit:
- In Adobe Photoshop unter Filter » Objektivkorrektur
- Objektivkorrektur in Adobe Lightroom unter Entwickeln » Objektivkorrektur
- Objektivkorrektur in Darktable unter weitere Module » Objektivkorrektur
- In Photoshop Elements mit Filter » Kameraverzerrungen korrigieren
- In Capture NX über das Menü Anpassen » Korrigieren » Verzeichnungskorrektur
- RAW-Fotos werden direkt in Photoshop RAW korrigiert.
Die nächste Gewissensfrage ist natürlich: Muss ich tatsächlich ein teures schweres Objektiv kaufen, oder kann ich mit einem leichten preiswerten Objektiv und einer Fehlerkorrektur in der Software genauso gute Ergebnisse erzielen?
Vignettierung, Farbsäume, Verzeichnung
Alle diese Programme arbeiten nach demselben Muster wie Photoshop und Lightroom mit zwei Funktionen:
Die Korrektur der typischen Objektivfehler (Farbsäume, Vignettierung, Verzeichnung) anhand eines Profils des Objektivs. Für das Profil des Objektivs liefern die Hersteller die Daten an Adobe, denn die Fehler der Objektive sind bekannt und lassen sich mit Formeln ausgleichen (statt mit einer weiteren Korrekturlinse im Objektiv).
Mit der Objektivkorrektur über das Profil werden
- geometrische Verzerrungen (tonnen- und kissenförmige Verzerrung)
- chromatische Aberration (Farbsäume)
- Vignettierung
korrigiert, die vor allem in den extremen Einstellungen des Objektivs selbst bei den besten Objektiven vorkommen. Meist erkennt die Objektivkorrektur das Objektiv anhand der Exifdaten automatisch. Für Objektive, die im Programm nicht aufgeführt sind, kann man das Profil selber erstellen oder sucht im Internet nach einem fertigen Profil.
Im Vorfeld: Das Beschneiden vorausplanen
Selbst wenn das Motiv sorgfältig schon an der Kamera sorgfältig eingerichtet wird: Perfektionisten werden immer noch ein paar kleine Korrekturen durchführen.
Da auch die spätere Korrektur in einem Bildbearbeitungsprogramm das Abschneiden der Seiten nötig macht, lässt man dem Motiv schon bei der Aufnahme etwas Raum – einen Sicherheitsrahmen – nach oben und zu den Seiten und setzt es kleiner ins Bild. Entweder ein paar Schritte nach hinten oder etwas herauszoomen und mit einer kleineren Brennweite fotografieren; wenn es geht, die kleinsten Brennweiten lieber vermeiden.
Externe Quellen
- PTLens Stand-Alone Software, korrigiert kissen- und tonnenförmige Verzeichnung, Vignettierung, chromatische Aberration und Perspektive.
- Kunsthistorische Entwicklung der Perspektive
- Die kamerainterne Objektivkorrektur