Das Kameraprogramm P
Das Mauerblümchen unter den Programmen der Kameras mit manueller Belichtung ist »P«. Dabei gibt »P« dem Fotografen die Kontrolle über die Belichtungssteuerung.
Das P steht für Programmierbare Automatik – perfekt für die ersten Schritte in Richtung manuelle Bedienung der Kamera.
PSAM – die klassischen Programme der Kamera
Programm (P), Zeitvorwahl (S), Blendenvorwahl (A) und Manuell (M) sind die Programme, die jede Kamera mit manuellen Steuerungsmöglichkeiten bietet (Canon verwendet die Kürzel P, Tv, Av und M).
P, A (Av) und S (Tv) sind im Grunde genommen keine manuellen Programme, sondern jeweils eine Halbautomatik, denn die Kamera berechnet zur Blende die passende Belichtungszeit und zur Belichtungszeit die passende Blende.
Der Weg der meisten Fotografen führt direkt nach der Automatik zum Programm A bzw. Av. Bei Kameras mit manueller Steuerung der Belichtung gibt der Fotograf eine Blende vor und die Kamera berechnet die passende Belichtungszeit.
Eine typische Strategie ist eine große Blende (z.B. F/2.8 oder F/3.5) für ein Porträt oder eine kleine Blende (z.B. F/8 oder F/11) für ein Landschafts- oder Architekturfoto.
Im Programm P kann der Fotograf sowohl die Zeit als auch die Blende wählen. Allerdings wird die Kamera nur eigene Änderungen der Einstellungen zulassen, die eine korrekte Belichtung – sprich: keine zu lange Belichtungszeit für Fotos aus der Hand – versprechen.
Zeitautomatik und Blendenautomatik
Weil die Kamera den zweiten Wert automatisch berechnet, heißt die Blendenvorwahl auch »Zeitautomatik« und die Zeitvorwahl »Blendenautomatik«. Diese beiden Programme finden wir auf den Programmrädern aller Hersteller.
- Blendenvorwahl: Programm Av oder A (Aperture Value oder Aperture),
- Zeitvorwahl: Time Value Tv oder S für Shutter Time.
Canon nennt das Programm zur Wahl einer Blende »Av« und das Programm zur Wahl der Zeit »Tv«. Bei allen anderen Kameraherstellern ist das Programm »A« die Blendenvorwahl und »S« die Zeitvorwahl.
Ob wir eine Blende oder eine Belichtungszeit vorgeben, hängt also vom Motiv und der Intention des Fotografen ab.
»P«: Programmierbare Freiheit mit Sicherheitsnetz
In der Vollautomatik zeigt die Kamera die Einstellung von Belichtungszeit und Blende im Sucher und auf dem Display zwar an, aber gibt dem Fotografen keinen Zugriff auf die Einstellung. Im Programm P gibt die Kamera mehr Optionen zur Steuerung der Belichtung frei, aber versucht immer noch, Belichtungsfehler zu verhindern.
Mit dem Programm P beginnt auch die Frage: Warum sollte ich eine andere Einstellung wählen als den Vorschlag der Kamera?
Blende und Belichtungszeit im Programm P bestimmen
Im Programm P können wir das Paar aus Blende und Belichtungszeit variieren – z.B. für Architekturfotos eine kleine Blende für eine große Schärfentiefe vorgeben, für Sportfotos eine kurze Belichtungszeit von 1/500 sek. Die Kamera steuert die Belichtungszeit für die jeweilige Blende oder die passende Blende für die Belichtungszeit automatisch zu.
Neben Blende und Belichtungszeit kann der Fotograf im Programm P den Weißabgleich, ISO und den Blitzmodus steuern. P steht für »Programmierbare Automatik«, denn die Kamera wird nur Erfolg versprechende Kombinationen erlauben – das ist das Sicherheitsnetz im Programm P.
Blitzen im Programm P
In unseren Fotokursen gehen wir intensiv auf die Belichtung mit dem Programm P ein, denn im Programm P steht uns draussen bei Sonnenlicht und bei der Indoor-Fotografie der Blitz als Aufhelllicht bei. Beim Tageslicht entstehen immer wieder störende Schatten im Gesicht, die der Blitz im Programm P ausgewogen aufhellt.
Beim Fotografieren in geschlossenen Räumen fotografieren wir fast immer gegen das Licht. Ein gut dosierter Aufhellblitz verhindert die dunklen Köpfe im Vordergrund bei einem überstrahlten Hintergrund.
Gleichzeitig sorgt die Kamera im Programm P dafür, dass die kürzeste Blitzsynchronzeit nicht unterschritten wird – ein Fehler, der selbst erfahrenen Fotografen im Programm A / Av immer wieder passiert.
Erst wenn es richtig dunkel wird, setzt die Kamera auch im Programm P den Blitz mehr und mehr als Hauptlichtquelle ein.
Zeitautomatik mit Blendenvorwahl A / AV
Der Fotograf wählt die Blende – eine kleine Blende für Landschaft mit langer Schärfe, die große Blende für ein Porträt mit romantischer Unschärfe oder am Abend bei wenig Licht. Die Kamera berechnet die passende Belichtungszeit automatisch. Darum heißt das Programm auch »Zeitautomatik«.
In der Blendenvorwahl steht meist das Steuern der Schärfentiefe im Vordergrund. Alle Paare aus Blende und Belichtungszeit stehen dem Fotografen zur Verfügung, aber die längste und die kürzeste Belichtungszeit der Kamera können über- oder unterschritten werden.
Die Fallstricke der Blendenvorwahl
Das Sicherheitsnetz der Vollautomatik und der programmierbaren Automatik im Programm P wirkt im Programm A / AV nicht mehr:
- Die Belichtungszeit kann zu lang für eine Aufnahme aus der Hand werden. Dann entsteht ein verwackeltes Foto.
- Bei einer großen Blende an einem hellen Tag kann auch die kürzeste Belichtungszeit noch zu lang für eine korrekte Belichtung werden. Dann entsteht eine Überbelichtung.
Die Belichtungszeit müssen wir im Programm A bzw. AV selber im Auge behalten und dafür sorgen, dass die Aufnahme nicht verwackelt und keine Überbelichtung entsteht.
Die Frage „Kann ich die Kamera mit 1/20 sek noch ruhig halten oder muss ich eine größere Blende wählen?“ hängt von vielen Faktoren ab:
- der Brennweite bei der Aufnahme,
- der Stabilisierung des Objektivs,
- von der ruhigen oder unruhigen Hand des Fotografen.
Blendenautomatik mit Zeitvorwahl S bzw. TV
Wer gerne Sport fotografiert, bevorzugt naturgemäß das Programm S / TV. Für Fotos von bewegten Motiven stellt der Fotograf die gewünschte Belichtungszeit ein und die Kamera gibt die passende Blende dazu. Sport braucht kurze Belichtungszeiten – also stellen wir für ein Fahrradrennen 1/500 sek ein. Bei Aufnahmen mit Available Light stellen wir eine Belichtungszeit ein, die noch eine scharfe Aufnahme aus der Hand verspricht.
Die Kamera berechnet die passende Blende zur gewünschten Belichtungszeit. Aber die Zeitvorwahl hat genauso wie die Blendenvorwahl A / AV ihre Tücken:
- Für die gewünschte kurze Belichtungszeit ist die größte Blende des Objektivs nicht groß genug. Die Aufnahme wird unterbelichtet.
- Für die gewünschte lange Belichtungszeit (z.B. beim Mitziehen) ist die kleinste Blende nicht klein genug. Die Aufnahme wird überbelichtet.
An den meisten Kameras wird die Anzeige der Blende blinken, um den Fotografen auf das Manko hinzuweisen, aber die Kamera wird trotzdem auslösen. Wenn wir Sport und spielende Kinder fotografieren, ist die ISO-Automatik der Rettungsanker. Die Kamera berechnet einen ISO-Wert, um die kurze Belichtungszeit zu erreichen.
ISO für kürzere, ND-Filter für längere Belichtungszeiten
Wenn die Belichtungsautomatik eine kurze Belichtungszeit nicht durch eine große Blende zur Verfügung stellen kann, greift der Rettungsanker der ISO-Empfindlichkeit. Dann ermöglicht der höhere ISO-Wert anstelle einer größeren Blende die kurze Belichtungszeit.
Wenn wir eine lange Belichtungszeit wünschen, die selbst bei der kleinsten Blendenöffnung des Objektivs nicht erreicht wird, kann nur noch ein ND-Filter helfen. Ein ND-Filter (Neutrale Dichte-Filter) ist ein abgedunkeltes graues Glas, durch das weniger Licht dringt.
Welche Belichtungszeit für welches Motiv?
Es gibt viele Tabellen für die Belichtungszeit von Pferden im vollen Galopp, für flotte Fußgänger oder den Ferrari beim Formel-I-Rennen. Aber die Belichtungszeit ist nur ein Faktor für das Einfrieren von Bewegung im Foto.
Die Abbildungsgröße ist ebenfalls ein wichtiger Faktor bei der Wahl der Belichtungszeit. Je größer ein kleines Motiv ins Bild gesetzt wird, desto kürzer muss die Belichtungszeit werden. Natürlich spielt auch die Geschwindigkeit des Objekts eine tragende Rolle – aber ein Radfahrer direkt vor der Linse ist schneller als ein Flugzeug am Himmel in großer Entfernung.