Wo bleibt der weiche Hintergrund?
Vielen Fotografen, die ihre Kompaktkamera hoch schätzen, fehlt dennoch die Unschärfe hinter dem Motiv: Kompaktkameras haben eine zu lange Schärfentiefe und können den Hintergrund nicht weichzeichnen.
Ihre Stärke liegt gerade in der lange Schärfe: als kleine Reisekamera in der Jackentasche für die Landschaftsfotografie bei der Bergwanderung, für Nahaufnahmen von kleinsten Blumen und Schmetterlingen.
Je größer ein kleines Motiv ins Bild gesetzt wird, desto schneller zieht die feine Unschärfe ins Bild, die das Motiv vom Hintergrund trennt.
Links: Stilleben Blende F/7, rechts Blende F/2.4
Der Beitrag der Brennweite (Zoom) zum weichen Hintergrund
Auch die Kompaktkamera kann Unschärfe hinter das Motiv setzen, wenn auch nur in gewissen Grenzen. Da die Schärfentiefe auch maßgeblich von der Abbildungsgröße abhängt, ist der erste Rat: Mit dem Zoom nah ran an das Motiv.
Das sorgt für eine Plastizität durch Unschärfe, an die wir über die Blende allein nicht gelangen.
Die Auflösung hinter dem Motiv wird dennoch nicht so hoch, wie bei einer Spiegelreflex- oder Systemkamera. Aber die Unschärfe reicht, um das Motiv plastisch herauszustellen. Teil 1: Bildgestaltung mit der Kompaktkamera
Leitsatz für die Schärfentiefe
Kleine Motive groß ins Bild setzen: kurze Schärfentiefe + weicher Hintergrund
Große Motive klein ins Bild gesetzt: lange Schärfentiefe + scharfer Hintergrund
Die lange Schärfentiefe nutzen
Aber warum sollte ein Kameratyp einen anderen Kameratyp nachnahmen? Hochwertige Kompaktkameras sind hervorragende Begleiter für die Straßenfotografie, Dokumentationen, Architektur und Landschaft, für konzentrierte Porträts und für Gruppenaufnahmen … aber eben nicht für die Simulation einer SLR.
Statt nach dem Charakter anderer Kameras zu schielen, dürfen wir die Schärfentiefe einer Panasonic Lumix LX5, einer Sony Cybershot, Canon Powershot oder Nikon CoolPix ausnutzen. Sehen wir uns bei den Meistern der Fotografie um – z.B. bei Jenny Ellerbe oder Michael Eastman.
Da haben wir die beste Anleitung, wie mit langer Schärfe und der Konzentration auf das Motiv Raumtiefe und Plastizität ins Bild gesetzt werden. Im Gegensatz zur Spiegelreflexkamera muss in Landschafts- und Architekturfotos mit der Kompaktkamera nicht oder um höchstens ein oder zwei Blenden abgeblendet werden.
Raumtiefe ins Bild setzen
Eine Raumaufteilung, bei der wir aktiv Vorder-, Mittel- und Hintergrund einbeziehen und den Blick durch die Ebenen zum Motiv führen, gewinnt durch die lange Schärfentiefe der Kompaktkamera. Darüber hinaus kann die Dynamik eines solchen Bildaufbaus spannender sein als eine schlichte Unschärfe.
Also: Raus aus der braven Gestaltung der großformatigen Kameras und herausfinden, wie die Stärken der Kompaktkameras besser ausgenutzt werden.
Raumtiefe mit der System- oder Spiegelreflexkamera und einem APS-C- oder Vollformatsensor durch Schärfe ins Bild setzen ist technisch anspruchsvoll, denn die Blende der Spiegelreflex- und Systemkamera mit großem Sensor kann nicht beliebig geschlossen werden. Dabei dehnt sich die Schärfe zwar weiter aus, aber die Gesamtschärfe des Fotos nimmt bei kleinen Blenden rasant ab. Bei vielen SLR-Objektiven ist bei Blende 11 der nutzbare Blendenbereich schon überschritten.
Die Kompaktkamera hingegen erreicht die große Schärfentiefe für Landschaft und Architektur ohne dabei auf die kleinen Blenden zurückzugreifen. Das hält die Belichtungszeit kurz und bringt noch einmal zusätzliche Schärfe.
Trennen durch Helligkeit und Farbe
Auch Farben, Helligkeiten und die Größenrelation trennen das Motiv von seiner Umgebung.
Kompaktkameras mit großen Brennweitenbereichen (10-fach, 20-fach-Zoom) wie bei der Bridgekamera sind keine Seltenheit. Aber bei der Größenrelation kommt uns der Trend zu immer weitwinkligeren Kompaktkameras entgegen, denn die kleine Brennweite setzt den Vordergrund überproportional groß ins Bild. Für Porträts mag das nicht der goldene Weg sein, aber Architektur und Landschaft vertragen eine Menge Weitwinkel.
Bildgestaltung kompakt
Fotos leben in einem hohen Maß von Kontrasten. Der Kontrast zwischen Schärfe und Unschärfe ist nur ein Mittel zur Bildgestaltung unter anderen. Genauso spannend sind
Helligkeitskontrast, Farbkontrast, Größenunterschiede, Raumwirkung
Das Auge muss nur ein wenig trainiert werden, damit es diese Elemente in einer Szene erkennt. Ein Rundgang um das Motiv herum offenbart oft bessere Positionen für ein Foto. Die Digitalkamera hat uns einen Vorteil gebracht, den die Fotografen mit dem Film nicht hatten: Wir können eine ganze Serie von einem Motiv aufnehmen, um die Wirkung der Perspektive und des Standpunkts zu vergleichen.
Porträts mit der Kompaktkamera
Konzentrierte Porträts mit Normalbrennweiten (plus etwas mehr oder minus etwas weniger) brauchen entweder mehr Abstand oder die Nähe. Die Normalbrennweite (die etwa unserem Blickwinkel entspricht) erkennt man bei der Kompaktkamera meist an einem Strich zwischen Weitwinkel (herauszoomen) und Tele (heranzoomen). Für ansprechende Porträts ist die Kamera in Augenhöhe des Fotografen eine Unart (der »Feldherrenblick« auf das Opfer). Wenn die Kompaktkamera kein drehbares Display hat, ist die Bildgestaltung eine Turnübung und Belastungsprobe für die Kniegelenke und Rücken.
Ein weiterer Ratschlag für gute Porträts mit der Kompaktkamera: das Foto füllen. Wenn das Porträt nur einen kleinen Teil des Bildes ausfüllt, macht es klein und nebensächlich. Da die Abbildungsgröße auch eine Rolle bei der Auflösung im Hintergrund spielt: Wird das Porträt klein ins Bild gesetzt, kann sich keine wirkliche Unschärfe im Hintergrund entwickeln.
Um mit der Kompaktkamera Unschärfe hinter dem Porträt zu erzielen, muss der Fotograf auf Abstand gehen und eine größere Brennweite einsetzen – sprich: Zoomen.
Tipps für Porträts mit der Kompaktkamera
Nicht von oben herab: fotografiert wird aus der Mitte des geplanten Bildes
Bildformat füllen, damit der Porträtierte nicht zur Nebensache wird
Große Brennweiten bringen Hintergrund-Unschärfe in Porträts mit der Kompaktkamera
Klassische Gestaltungsmittel für die Kompakte
Die Unschärfe des Hintergrunds ist der einfachste Weg zur Trennung von Motiv und Umgebung – gerade heute, wo wieder große Sensoren und große Anfangsblenden in den Objektiven diese Technik einfach machen. Neben der Unschärfe hinter dem Motiv gibt es viele Gestaltungsmittel: Den Vordergrund durch eine kürzere Brennweite betonen oder die Trennung des Motivs vom Hintergrund durch unterschiedliche Helligkeiten. Da muss man nur einmal sein Motiv mit dem aufmerksamen Auge des Fotografen umkreisen …