Hyperfokale Distanz

Landschaftsfotografie - Resort der kleinen Blenden

Während Porträtfotos und Stillleben von einer offenen Blende profitieren, die den Hintergrund auflöst – also weichzeichnet –, lebt die Landschaftsfotografie von großer Schärfentiefe: Das ganze Bild ist das Motiv.

Obendrein sind die Motive in der Landschaftsfotografie groß. Picken wir uns nur einmal einen schönen Baum heraus: Bei dem großen Abstand zu einem großen Baum ist keine Blende groß genug, um einen weichgezeichneter Hintergrund zu liefern.

Wenn große Blenden fehl am Platz sind

Es gibt viele Situationen, in denen keine große Blende benötigt wird, sondern die Unschärfe durch eine große Blende kontraproduktiv wirkt – z.B.

  • wenn das Motiv mit allen Elementen auf einer Ebene liegt - z.B. eine Hausfront,
  • wenn das Motiv in einer so großen Entfernung liegt, dass sich keine sinnvolle Unschärfe hinter dem Motiv einstellen wird (typisch für die Landschafts- und Architekturfotografie).
Häuserwand, mittlere Blende
Alle Objekte des Motivs liegen auf einer Ebene: Ein Fall für eine mittlere Blende
Architekturfotografie: Keine sinnvolle Unschärfe
Schon allein die große Distanz und die Tiefe des Motivs würden keine sinnvolle Unschärfe erlauben.

Landschaftsfotografie: große Schärfentiefe gewünscht

Für die Landschaftsfotografie kann die Schärfe nicht lang genug werden. Damit die Schärfe vom Vordergrund bis zum Horizont reicht, muss eine kleine Blende eingesetzt werden. Die Schärfentiefe wächst mit kleineren Blenden schnell an – besonders in der Kombination einer kleinen Blende mit einer kleinen Brennweite und einer großen Entfernung zum fokussierten Punkt.

Das sind auch schon die klassischen Zutaten für die Landschaftsfotografie:

  • kleine Blenden,
  • kleine Brennweiten
  • großer Fokusabstand.
Kein unscharfer Vordergrund
Kleine Blende, denn ein unscharfer Vordergrund passt hier nicht.
Taucherglocke hinter Steinen
Fokusabstand: Irgendwo zwischen den Felsen und der Taucherglocke.

Die Fehler der kleinen Blenden

Was so klingt wie ein einfaches Patentrezept für die Landschaftsfotografie, unterliegt sofort wieder Grenzen:

  • Die Entfernung zum fokussierten Punkt darf nicht zu groß,
  • die Blende darf nicht zu klein werden.

Bei extrem kleinen Blenden liefern Objektive keine befriedigende Schärfe mehr – das Foto wird insgesamt sichtbar unschärfer. Ursache für die abnehmende Gesamtschärfe ist die Beugungsunschärfe oder Defraktion.

Defraktion – wenig Beugung bei großen Blenden
Breite Hafeneinfahrt – wenig Turbulenzen
Eine große Blende kann man mit einer breiten Hafeneinfahrt vergleichen: Die Wellen brechen sich an den Seiten der Hafeneinfahrt, aber dann pflanzen sie sich schnell wieder fort und verlaufen parallel.
Defraktion – Beugung bei kleinen Blenden
Schmale Hafeneinfahrt – starke Turbulenzen
Bei einer sehr schmalen Hafeneinfahrt entstehen Turbulenzen und die Wellen laufen nach der Hafeneinfahrt nicht mehr parallel.

1/3 – 2/3 – Die Faustregel für Schärfentiefe

Auch eine große Entfernung zum fokussierten Punkt bringt das Objektiv um seine beste Schärfe. Obendrein ist das Scharfstellen auf weit entfernte Punkte nicht zuverlässig. Dunst, Nebel und das Flimmern der Luft an einem heißen Tag führen den Autofokus schnell ins Abseits.

Eine einfache Faustformel der Landschaftsfotografen sagt, dass die Schärfe etwa zu einem Drittel vor und zu zwei Dritteln hinter dem fokussierten Motiv liegt. Bei langen Brennweiten tendiert die Schärfentiefe etwa zur Hälfte vor und zur Hälfte hinter dem fokussierten Motiv.

Gerade in der Landschaftsfotografie macht es keinen Sinn, auf den weit entfernten Waldsaum scharf zu stellen – damit verschenken wir die Schärfe im Vordergrund. Es reicht also schon, einen Punkt auf 1/3 der Entfernung zum Waldsaum zu fokussieren.

Für die Schärfentiefe gibt es eine Formel. Einfacher geht es mit einer App auf dem Handy.

Links: Fokus auf den Horizont weit hinten: Viel Schärfe hinter dem Horizont verschenkt, der Vordergrund wird nicht scharf.

Rechts: Fokus auf 1/3 bis 1/2 zum Horizont: So kommen auch die Bäume noch in den Schärfenbereich.

Alte Faustregel für die Schärfentiefe: Zu einem Drittel liegt sie vor, zu zwei Dritteln hinter dem Motiv.

Hyperfokale Distanz

Für die Perfektionisten gibt es die hyperfokale Distanz. Der naheliegendste Punkt, an dem bei einer vorgegebenen Blende die Schärfe bis Unendlich reicht, wird als Hyperfokale Distanz bezeichnet.

Wer die starken Blenden seines Objektivs kennt und bei Landschaftsaufnahmen die beste Blende seines Objektivs (meist im mittleren Blendenbereich) nutzen will, stellt auf die hyperfokale Distanz scharf, um kein Quäntchen Schärfe zu vergeuden.

Auf alten Objektiven ist die hyperfokale Distanz oft noch eingraviert, neuere und vor allem preiswerte Objektive ersparen sich die Markierungen.

entfernungsskala-objektiv
Wenn Blende F11 eingestellt ist, die »11« unter Unendlich drehen und auf der linken Seite ablesen, wie weit die Schärfe bei Blende F11 reicht: Hier von 0,7 Meter bis Unendlich. Hyperfokale Distanz etwa bei 1,4 m.

Prämissen der Hyperfokalen Distanz

Optimale Blende nutzen
Zu kleine Blenden: lange Belichtungszeiten und weniger Gesamtschärfe
Nicht auf zu große Distanz scharf stellen
Scharfstellen auf große Distanzen: unzuverlässig und vergeudet Schärfe im Vordergrund

Formel Hyperfokale Distanz

hyfd = f 2 a · z mm
Brennweite (in mm) hoch 2 geteilt durch die Blendenzahl * Größe des Zerstreuungskreises

Dabei ist die echte Brennweite des Objektivs gemeint, nicht das Kleinbild-Äquivalent. Der Faktor z – die Größe des Zerstreuungs- kreises – sorgt für die Anpassung auf die Sensorgröße.

Die Formel kann man bei den meisten Landschaftsaufnahmen grob überschlagen. Die zentimetergenauen Angaben der Rechner für die hyperfokale Distanz machen keinen Sinn, selbst die Formel ist schon eine Schätzung. Die Näherung gilt auch nur für Gegenstandsweite >> Brennweite.

Im Internet gibt es viele Seiten, die einen Online-Rechner für die hyperfokale Distanz bieten und für den Fotografen mitten in der Wildnis berechnet eine App auf seinem Smartphone die hyperfokale Distanz.

Bei all diesen Ableitungen und Berechnung der Fototechnik darf man aber nicht vergessen: Durchgehende Schärfe von vorn bis hinten gibt es nicht. Die perfekte Schärfe liegt immer nur in einer bestimmten Entfernung vom Motiv. 

Weitere Zutaten für die feine Schärfe

Hohe ISO-Einstellungen kommen für wichtige Landschafts- und Architekturaufnahmen nicht in Frage, aber wenn die Sonne nicht gerade strahlt, beim Sonnenaufgang oder -untergang und dramatischem Wetter führen kleine Blenden zu langen Belichtungszeiten.

Ein gutes Stativ ist ein weiterer Erfolgsfaktor für die Schärfe, aber Stative sind eine Last für stramme Wanderer. Ein guter Stand und ein paar ruhige Sekunden vor der Aufnahme tragen zu einer sichtbaren Beruhigung bei.

Bei Spiegelreflexkameras sorgt die Spiegelvorauslösung dafür, dass der Schlag des Spiegels die Aufnahme nicht durchschüttelt.

Der Selbstauslöser und ein Fernauslöser verhindern, dass der Druck auf den Auslöser die Kamera im wichtigsten Moment auch nur um einen Millimeter bewegt.

Bildstabilisatoren sind in Weitwinkelobjektiven nicht so häufig zu finden wie bei den großen Zoomobjektiven – es sei denn, der Bildstabilisator stabilisiert den Sensor. Das beruhigt auch die kleinen Brennweiten bei längeren Belichtungszeiten.