Spiegelreflex – das Flaggschiff der Fotografie
Die Spiegelreflexkamera – kurz SLR oder DSLR – gilt seit vielen Jahrzehnten als DIE professionelle Kamera schlechthin.
Systemkameras ohne Spiegelkonstruktion, aber mit Wechselobjektiven, mit Four-Thirds-, APSC- und Vollformat-Sensoren stellen sich gegen die SLR auf. Diese Systeme knabbern am Markt für Spiegelreflexkameras und bilden die moderne Generation der professionellen Kamerasysteme.
Was bringt der Spiegel?
Die komplette Mechanik der Spiegelreflexkamera dient nur einem Zweck: Das Abbild durch den Sucher zu schicken. Bei der Aufnahme klappt der Spiegel hoch, der Sucher wird einen Augenblick lang dunkel: Mit der Aufnahme hat das komplette Spiegelsystem nichts zu tun.
Zur Qualität des Fotos aus der SLR trägt die Spiegelkonstruktion in keiner Hinsicht bei, sondern reduziert die Qualität durch den Spiegelschlag im wichtigsten Moment der Aufnahme. Obendrein macht der Spiegel die Konstruktion von Weitwinkelobjektiven teuer – gute Weitwinkelobjektive für eine Systemkamera lassen sich kleiner, leichter und schneller entwickeln und bauen.
Die gute Seite des Spiegels ist das Bild im optischen Sucher. Das Licht passiert die Linsen im Objektiv, trifft auf den Spiegel und wird von hier aus direkt in den optischen Sucher geleitet. Zwischen dem Auge des Fotografen und dem Sucher gibt es keine digitalen Zwischenschritte und Einflüsse: Das ist der wahre Vorteil der Spiegelreflexkamera.
Spiegellose Systemkameras haben ein Display, die gehobene Preisklasse hat zusätzlich einen elektronischen Sucher. Wer an den direkten Blick durch den optischen Sucher gewöhnt ist, stellt sich nicht so einfach auf das Display der spiegellosen Kamera um. Der elektronische Sucher hat viele Jahre gebraucht, um auch nur annähernd die Qualität und den Eindruck des optischen Suchers zu erreichen.
Welche Spiegelreflexkamera soll es denn sein?
Darüber entscheiden die eigenen Anforderungen hinsichtlich Auflösung, Robustheit, Ausstattung und natürlich in allererster Linie der Geldbeutel. Dabei ist es interessant, dass ein Unterschied zwischen einer Canon EOS 250D und einer 90D und auch der Unterschied zwischen einer Nikon D7500 und D5600 hinsichtlich der Bildqualität nicht wirklich gegeben ist. Der Unterschied zwischen preiswerten und teuren Kameras liegt in der Geschwindigkeit, der Haltbarkeit des Schwingspiegels, in der Zahl der Fokusfelder …
In diesem Bereich entscheiden Ausstattung und Geldbeutel über den Kauf: Erst ein Vollformatsensor verheißt wieder einen Sprung, braucht dazu aber auch gleich wieder eine andere Klasse von Objektiven.
Canon EOS-1D Mark IV, f4, 70-200m
Mit einem großen Sensor wird der Hintergrund hinter dem Motiv schneller weich und das Bild plastisch – Sensorgröße und Offenblende des Objektivs entscheiden hier.
Canon EOS-1D Mark IV, f1,2 85mm
Bei Hochkontrast-Szenen und schlechten Lichtverhältnissen ist die Sensorgröße ein entscheidender Faktor – aber der Spiegel hat darauf keinen Einfluß.
Für qualitätsbewusste Hobbyfotografen ist noch in den meisten Fällen die Einsteiger-Spiegelreflexkamera die Kamera der Wahl – nicht zuletzt, weil das Spiegelreflexsystem von seinem soliden Ruf profitiert.
Die schwachen Seiten der Spiegelreflexkameras
So könnte es deutlich besser um die Qualität der digitalen SLRs bestellt sein, wenn die Prämisse der Hersteller nicht die Taktik der kleinen Schritte wäre, sondern echte Entwicklungsarbeit in die Kameras fließen würde.
Unzuverlässiger Autofokus
Der Autofokus digitaler SLR Kameras ist aufgrund der spezieller Autofokussensoren nicht immer zuverlässig. Die Ursachen liegen in der Justage zum Aufnahmesensor und den unvermeidbaren mechanischen Toleranzen beim Einsatz von Wechselobjektiven. Das manuelle Fokussieren ist seit dem Wegfall der notwendigen Einstellhilfen im Sucher (Schnittbildindikator und Mikroprismenraster) und den immer kleineren und ungenaueren Suchern der SLR kaum mehr möglich – einen zuverlässigen Sucher bieten nur die Spiegelreflexkameras der Profiklasse.
Überholt: Der schnelle Autofokus der SLR
Auch wenn immer noch zu lesen ist, dass der Phasen-gesteuerte Autofokus der Spiegelreflexkameras deutlich schneller sei als der Kontrast-Autofokus der spiegellosen Kameras: Das stimmt schon lange nicht mehr. Inzwischen erreichen Kameras mit Kontrast-Autofokus das Tempo der schnellsten Spiegelreflexkameras.
Obendrein ist der Kontrast-Autofokus spiegelloser Kameras immer schon zuverlässiger als der Autofokus der Spiegelreflexkamera.
Langsames und unhandliches Livebild
Aufgrund des heruntergeklappten Spiegels für die Ausspiegelung des Sucherbildes war es nicht ohne weiteres möglich, ein Livebild als Vorschau auf dem LCD-Display von Spiegelreflexkameras zu zeigen. So kommen Spiegelreflexkameras mit LiveView nur zögerlich voran. Neben der höheren Flexibilität für den Fotografen wäre das Livebild in vielen Einsatzbereichen wie der Mikroskopie und der Dokumentation von naturwissenschaftlichen Versuchen hochwillkommen. Aber noch ist der LiveView der aktuellen SLR-Systeme bis auf wenige Ausnahmen unkomfortabel und zu langsam. Ein Display an einer schweren Spiegelreflexkamera, das sich nicht drehen und schwenken lässt, ist keine Alternative zum Sucher.
Die Mär vom guten optischen Sucher
Von der Vorstellung, der Sucher der Spiegelreflexkamera wäre grundsätzlich exakter als der Live View der Systemkamera darf man sich getrost verabschieden. Das Bild ist bei den lichtschwachen Kit-Objektiven dunkel, denn in den SLRs der Einsteigerklasse sitzt ein Spiegel anstelle eines Prismas. Der Bildausschnitt stimmt nicht. Tatsächlich zeigen APS-C-Kameras das Bild, als würde es bei einer kleineren Brennweite aufgenommen, und zugleich zeigt der Sucherrahmen einen kleineren Bildausschnitt als das Foto.
Eine Suchervergrößerung, die kleiner als 1 ist, ist in Wirklichkeit eine Sucherverkleinerung.
Kamera | Sucher | Suchervergrößerung |
---|---|---|
Canon EOS 1300d | Pentaspiegel | 0.50x |
Canon 77D | Pentaspiegel | 0,82x |
Nikon D7200 | Prismen-Sucher | 0,62x |
Nikon D3400 | Pentaspiegel | 0,63x |
Die Vorteile der Spiegelreflexkamera
Natürlich haben Spiegelreflexkameras nicht nur Nachteile. Auf jeden Fall bieten sie eine verlässliche Qualität: Das ist ihr großes Plus.
Während der Markt der Systemkameras alle erdenklichen Systeme mit völlig unterschiedlichen Sensorgrößen umfasst – alle Kameras mit Wechselobjektiven –, hat die Spiegelreflexkamera immer noch die größte Auswahl an Objektiven, während die Objektivpalette bei Systemkameras noch im Aufbau ist.
Wer sich also nicht in die Abgründe der Fototechnik begeben will und die Folgekosten für das Zubehör im Augen hat, ist mit einer Spiegelreflexkamera auch weiterhin auf der sicheren Seite.
Die Zukunft der Spiegelreflexkamera
Systemkameras mit einem APS-C-Sensor liefern dieselbe Qualität und sind so flexibel wie die Spiegelreflexkamera, aber kleiner und leichter. Die Objektive sind leichter und schneller. Die neue Generation von Fotografen will eine kompakte Kamera, die dabei ist, wenn der Sonnenuntergang auf dem Weg von der Arbeit besonders dramatisch ist.
- Das Angebot an Objektiven für Systemkameras ist kleiner als das riesige Angebot von hervorragenden Objektiven in allen Preisklassen für die Spiegelreflexkamera.
- Anstelle eines optischen Suchers gibt es bei Systemkameras einen elektronischen Sucher.
- Die Spiegelreflexkameras der APS-C-Klasse verzeichnen immer noch einen kleinen Zuwachs, aber der Zuwachs der Systemkameras ist größer.
Wenn die Spiegelreflexkamera mitsamt ihrer immer aufwändigen Spiegelkonstruktion überleben will, müssen der LiveView schneller und präziser, die Displays schwenkbar werden. Ansonsten werden – zumindest im Einsteiger- und Mittelfeld – spiegellose Systemkameras die Spiegelreflexkamera bald aus dem Feld schlagen.