Nachtfotografie mit der Kompakt- oder Bridgekamera
Kompakt- und Bridgekamera haben bei Aufnahmen zur Blauen Stunde und bei Nacht ihre starken Seiten, auch wenn die Überlegenheit der größeren Sensoren von Spiegelreflex- und Systemkamera so oft betont wird.
Der erste Vorteil liegt im wahrsten Sinne des Wortes auf der Hand: Wir haben die Kompaktkamera in der Tasche und auf Reisen nehmen wir die Bridgekamera auch zum Bummel durch die nächtlichen Straßen mit.
Die Phasen der Nachtfotografie
Am Abend sitzen wir im Biergarten oder Straßencafé am Urlaubsort und erleben eine spektakuläre Blaue Stunde. Wenn ich doch jetzt die Kamera dabei hätte … die liegt gut aufgehoben im Safe des Hotels und außerdem hätten wir leise Bedenken, uns hier durch die Spiegelreflexkamera direkt als Touristen zu outen.
Um uns herum zücken derweil Einheimische und Touristen ihre Handys und holen kleine Kompaktkameras aus der Tasche. Tja …
Drei Phasen der Nachtfotografie:
- Direkt vor der Blauen Stunde – am Ende des Sonnenuntergangs – ist der Himmel unscheinbar, blass und diffus. Nur ein aufmerksames Auge bemerkt den Übergang zur Blauen Stunde.
- Gleich wie frustrierend der Himmel kurz vor der Blauen Stunde aussieht: Direkt nach dem Sonnenuntergang mit dem Einschalten der Lichter in der Stadt zeigt sich der Kontrast zwischen der Dunkelheit, den bunten Lichtern der Stadt und dem tiefblauen Himmel. Der tiefblaue Himmel entwickelt sich bei jedem Wetter: Gleich, ob strahlender Sonnenschein zuvor oder ob es verregnet ist: Der blaue Himmel übernimmt. Die Lichter der Großstadt übernehmen den Kontrapart.
- Am Ende der Blauen Stunde übernehmen die Lichter der Stadt die Ausleuchtung der Szene. Der Himmel reicht vom tiefen Blau bis zu tiefen Rot- und Grüntönen – je nach den Lichtern in großer Entfernung.
Da die Blaue Stunde nur für etwa 20 bis 30 Minuten den spektakulär blauen Himmel zeigt, muss der Platz für die Aufnahmen vor dem Beginn der Blauen Stunde gefunden sein.
Am Ende der Blauen Stunde sind die Lichter der Großstadt gefragt, damit die Fotos nicht zu dunkel und eintönig werden.
Mit dem bloßen Auge und ohne Erfahrung erkennen wir den Übergang vom späten Abendlicht zur kurzen Spanne der Blauen Stunde nur bei einem besonders tiefblauem Himmel.
Mit wachsender Erfahrung allerdings nehmen wir das tiefe Blau auch dann wahr, wenn die Kamera nicht zu Hand ist.
Rezept für Blaue Stunde mit der Kompakt- oder Bridgekamera
Wer hat beim Bummel durch die Stadt schon ein Stativ und die Spiegelreflexkamera dabei?
Die Kompaktkamera oder All-In-One-Bridgekamera und ein fester Kamerastandpunkt reichen für hervorragende Aufnahmen.
Und gleich noch ein Punkt für Kompakt- und Bridgekamera: kürzere Belichtungszeiten und mehr Fotos.
Wo wir mit der Spiegelreflexkamera mit Blende F/8 oder sogar F/11 Belichtungszeiten von 10 bis 20 Sekunden brauchen, erzielt der kleine Sensor mit großen Blenden F/2.8 oder F/4 bereits die lange Schärfe mit einer deutlich kürzeren Belichtungszeit. Bei Aufnahmen aus der Hand kommt der hervorragende Bildstabilisator der Kompakten als Sahnehäubchen mit ins Spiel.
Belichtungszeit Kompakt vs. APS-C
Spiegelreflex- oder Systemkamera: Blende F/8 mit 15 sek Belichtungszeit
Kompaktkamera: Blende F/4 mit 4 sek Belichtungszeit
Bei kürzeren Belichtungszeiten kann die Kompaktkamera mehr Aufnahmen während der kostbaren Minuten der Blauen Stunde aufnehmen – aber besser noch: einen zweiten und dritten Standpunkt für die Fotos wählen.
Der Bildstabilisator der Kompakt- oder Bridgekamera tut ein Übriges: So gelingen noch viele Aufnahmen aus der Hand, bei denen die größeren Sensoren nicht gegen die Bewegungsunschärfe ankommen würden.
Schärfentiefe bei Kompaktkameras
Nachtfotografie in der Stadt ist auch Architekturfotografie – also werden kurze Brennweiten oder Weitwinkelfotos bevorzugt.
Dann reicht schon Blende F/4 an der Kompaktkamera für Motive in 30 bis 50 Meter Entfernung für eine lange Schärfentiefe vor und hinter dem Motiv.
Kleinere Blenden werden für Aufnahmen mit der Bridgekamera oder Kompaktkamera nicht benötigt und sind auch eher kontraproduktiv, denn mit kleineren Blenden zeigen die Objektive der Kompaktkamera die Folgen der Beugung bei kleinen Blenden: Die Fotos werden insgesamt unschärfer.
Das ist bei Spiegelreflexkameras nicht anders – nur liegt die Grenze bei Spiegelreflex- und Systemkameras mit dem APS-C-Sensor bei Blende F/16.
Das Ende der Blauen Stunde
Nach der Blauen Stunde werden die Belichtungszeiten extrem lang – 30 Sek. mit der Spiegelreflexkamera, rund 5 bis 10 Sek mit der Kompakten bzw. Bridgekamera. Nach jeder Belichtung legt die Kamera eine Pause ein, die genauso lang wie die Belichtungszeit ist und erzeugt still und unerkannt ein Dunkelfoto.
Die »Dunkelaufnahme« bei Landzeitbelichtungen soll Rauschen mildern. Damit ist aber nicht das ISO-Rauschen gemeint, sondern zufällige Fehlpixel, die durch die lange Belichtungszeit entstehen.
Langzeitaufnahmen sind nichts für die empfindlichen Sensoren: Sie werden warm und bei den kleinen Pegeln entstehen Dunkelströme und Nichtlinearitäten. Die Kamera erfasst direkt nach der Aufnahme eine Aufnahme mit geschlossenem Verschluss. Das Grundrauschen, das die Kamera in dieser Dunkelaufnahme entdeckt, zieht die Kamera von der Aufnahme ab.
Das verlängert die Belichtungszeit der Aufnahmen gegen Ende und nach der Blauen Stunde auf eine volle Minute.
Je nach Wetter entsteht aber auch bei ISO 100 Rauschen – vor allem im monochrom blauen Himmel. Dieses Rauschen kann auch bei Aufnahmen mit der Spiegelreflexkamera auftreten, wenn kleine Dunst- und Nebeltröpfchen oder hauchfeiner Staub in der Luft liegen.
Faszinierend ist die Schärfe, die sich durch die langen Belichtungszeiten und die kleine Blende der kleineren Sensoren entwickelt.