Manuell fotografieren

Das Programm M der Kamera

Die Kamera manuell zu steuern ist heute viel einfacher als es auf den ersten Blick wirkt, denn die Kamera gibt uns Vorgaben, mit deren Hilfe die ersten Experimente ohne großes Rätselraten gelingen.

Mit der Digitalkamera sehen wir das Ergebnis sofort und können die Einstellungen von Blende, Belichtungszeit und ISO kontrollieren.

Schritt 1: Belichtungsmessung

Alle Kameras (sehen wir mal von Lochkameras und meiner geerbten Hasselblad ab) haben eine Belichtungsautomatik. Wenn die Kamera eingeschaltet und auf das Programm P, A (Av) oder S (Tv) eingestellt ist, reicht ein leichter Druck auf den Auslöser, um die Kamera nach ihrer Messung zu fragen. Damit haben wir einen Ausgangspunkt.

Belichtungsmessung

Gleich welche Kamera hier ihr Belichtungsmessung zeigt – jede Belichtung setzt sich aus drei Werten zusammen. Bei gutem Tageslicht könnte das Ergebnis der Belichtungsmessung z.B. wie im Screenshot aussehen:

  • Blende F/5.6 (steuert die Tiefenschärfe)
  • Belichtungszeit 1/60 sek (steuert die Belichtungszeit)
  • ISO fest eingestellt auf ISO 100 bei den ersten Versuchen mit dem Stativ

Kamera aufs Stativ

Das Licht ändert sich mit jeder kleinen Bewegung. Darum funktionieren die ersten Schritte zur manuellen Einstellung der Kamera am besten bei Tageslicht und mit dem Stativ.

Beim Beispiel oben hat die Kamera eine möglichst große Blende eingestellt, um eine kurze Belichtungszeit ohne Verwackeln sicherzustellen. Eine kleinere Blende wird mehr Tiefenschärfe – also mehr vom Hintergrund – zeigen.

Also: Kamera auf das Programm P (P ist auch ein Automatikprogramm) setzen, Auslöser antippen und Werte auslesen. Jetzt Kamera auf M stellen, und die Werte mit dem Einstellrad / Wahlrad / Drehrad eingeben.

kamera-front-mit-einstellrad

Canon

Einstellrad vorn: Drehen, um die Belichtungszeit zu wählen
Kameras mit Einstellrad vorn und hinten: Vorn, um die Belichtungszeit zu wählen, hinten, um die Blende einzustellen

Nikon

Einstellrad hinten: Drehen, um die Belichtungszeit zu wählen
Nur ein Einstellrad: -Taste drücken und Einstellrad drehen, um die Blende einzustellen

Sony

Einstellrad: Drehen, um die Belichtungszeit zu wählen
-Taste drücken und Einstellrad drehen, um die Blende zu ändern

Ein Hinweis am Rande: Wenn die Kamera auf dem Stativ steht, wird der Bildstabilisator am besten ausgeschaltet. Oft sitzt schon auf dem Objektiv ein Ein-Aus-Schalter für den Stabilisator oder Verwacklungsschutz, ansonsten findet man den Stabilisator im Menü.
Und hinterher nicht vergessen, den Stabilisator wieder einzuschalten!

Blende und Belichtungszeit ändern

Bei Stillleben mit dem Stativ gilt der erste Anlauf der Blende, denn die Blende entscheidet über die Tiefenschärfe. Mit jeder größeren Blende zeigen die Aufnahmen weniger Tiefenschärfe.

Jeder kleine Klick des Einstellrads verändert die Blende um 1/3 Schritt. Jede Änderung der Blende erfordert eine neue Belichtungszeit: Am einfachsten ist es, die Blende in ganzen Schritten zu ändern, denn so braucht jede kleinere Blende eine doppelt so lange Belichtungszeit.

f-stops-2
Waren es bei der ersten Messung Blende F5.6 mit 1/60 sek, dann folgt Blende 8 mit 1/30 sek, dann Blende 11 mit 1/15 sek.
manuell-blende-20
Blende F2.0
manuell-blende-28
Blende F4.0
manuell-blende-56
Blende F8.0

Experimentieren mit der Blende: Nimm ein kleines Motiv

Der Unterschied in der Schärfentiefe bleibt eine Enttäuschung? Und außerdem hat das eigene Objektiv keine Blende F/2, sondern die größte Blende ist F/5.6?

Für den Anfang ist ein kleines Motiv die beste Wahl, denn die Tiefenschärfe hängt nicht nur von der Blende, sondern insbesondere von der Abbildungsgröße und dem Abstand zum Hintergrund aus.

manuell-blende-kleines-motiv-40
Blende F4.0 1/50 sek
manuell-blende-kleines-motiv-56
Blende F5.6 1/20 sek
manuell-blende-kleines-motiv-80
Blende F8.0 1/13 sek

Im manuellen Modus muss bei jeder Änderung der Blende auch die Belichtungszeit neu eingerichtet werden:
Jeder nächste volle Blendenschritt braucht nur die halbe Belichtungszeit,
jede nächst kleinere Blende die doppelte Belichtungszeit.
(Bei vollen Blendenschritten)

Das Tageslicht ändert sich schnell. Mit der Belichtungsskala zeigt die Kamera ihre eigene Beurteilung der Einstellung von Blende und Belichtungszeit.

Belichtungsskala: Anzeige von Unterbelichtung oder Überbelichtung

Ein kleines Motiv, ein großer Abstand zum Hintergrund – so sieht man die Unterschiede zwischen den Blenden am besten. Der Live View der Kamera ist die beste Hilfestellung, denn der Live View zeigt die tatsächliche Belichtung. Schon ein Sonnenstrahl oder eine kleine Wolke vor dem Fenster ändern das Umgebungslicht, was der optische Sucher nur beim Drücken der Abblendtaste offenbart.

Belichtungszeit vorgeben

Landschaft, Porträt und Architektur sind die Motive, bei denen der Fotograf meist eine Blende gibt und die Belichtungszeit von der Kamera übernimmt. Sport, spielende Kinder und Tiere – wenn Bewegung in die Szene kommt, müssen wir abschätzen, wie lang die Belichtungszeit werden darf, ohne dass eine ungewollte Bewegungsunschärfe das Bild unbrauchbar macht.

Das Verfahren ist dasselbe wie bei der Vorgabe einer Blende: Kamera kurz auf das Programm P einstellen, Auslöser antippen, und Blende und Belichtungszeit merken.

Eine gute Belichtungszeit für einen Fußgänger, der auf der anderen Straßenseite vorbeimarschiert, liegt bei 1/125 sek. In geschlossenen Räumen wird diese Belichtungszeit bei Tageslicht selbst bei der größten Blende nur selten erreichbar sein. Die Kamera wird sich mit einem Minus auf der Belichtungsskala melden und aufgeregt blinken.

belichtungszeit-iso-100-DSC09910
F/1.8 1/25 sek ISO 100
belichtungszeit-iso-400-DSC09911
F/1.8 1/100 sek ISO 400
belichtungszeit-iso-6400-DSC09913
F/1.8 1/1600 sek ISO 6400

ISO-Automatik

Die Belichtungszeit muss nicht nur um so kürzer werden, je schneller sich das Motiv bewegt. Vielmehr spielt auch hier die Abbildungsgröße eine Rolle.

Je größer ein kleines Motiv und je näher das Motiv an der Kamera ist, desto kürzer muss die Belichtungszeit werden.

Während wir mit der Blende frei experimentieren konnten, weil die Kamera auf dem Stativ festen Halt finden, muss die ISO-Einstellung für die Belichtung herangezogen werden.

Für die Tests mit der Vorgabe der Belichtungszeit stellt man die Kamera am besten auf die ISO-Automatik, aber behält die ISO-Angabe auf dem Display oder im Sucher im Auge.

Wann macht manuelles Einstellen der Kamera Sinn?

Wer bereits mit dem Programm A bzw. Av fotografiert, fragt sich jetzt »Wozu der Aufwand und das ganze Kopfrechnen«? Beim Programm A gibt der Fotograf die Blende vor und die Kamera steuert die Belichtungszeit automatisch bei. In der Landschafts- und Architekturfotografie sowie bei Porträts ist A, die Zeitautomatik, das bevorzugte Programm.

Bei den ersten Experimenten merkt man, dass die Belichtung einen mehr oder minder großen Spielraum gibt. So verkraften die Aufnahmen z.B. durchaus ein oder zwei Drittel Blenden Unter- oder Überbelichtung. Der eine mag die Aufnahmen lieber heller und leichter, der andere mag die Dramatik einer leichten Unterbelichtung.

Im Programm Av und auch in S (Tv) können wir die Belichtungskorrektur nutzen, um den Aufnahmen von vorn herein die Helligkeit nach dem eigenen Geschmack zu geben. Oder die Kamera auf das manuelle Programm stellen und mit Blick auf die Belichtungsskala den Helligkeitscharakter steuern.

AUTO P A S M P Av Tv M + _ AEL 0+