Unscharfe Fotos? Richtig Scharfstellen

Wenn der Autofokus raten muss

Nicht nur Einsteiger, die gerade von der Kompakt- oder Bridgekamera (oder auch vom Handy) auf eine SLR oder Systemkamera umgestiegen sind, klagen über viele unscharfe Fotos.

Auch wenn alle Kameras heute einen hervorragenden Autofokus haben: Woher weiß der Autofokus, auf welches Motiv im Sucher der Fotograf scharfstellen will?

Erst scharfstellen, dann Bildaufbau

Die Kompaktkamera stellt auf denn vollen Bildausschnitt scharf, Spiegelreflex- und Systemkameras hingegen haben eine begrenzte Zahl von Autofokus-Feldern, die zudem auf die Mitte des Suchers oder des Displays beschränkt sind.

Die Felder werden beim Scharfstellen (erster Druckpunkt des Auslösers) kurz angezeigt – da muss man schon aufmerksam durch den Sucher oder auf das Display schauen. In der Voreinstellung wird die Kamera auf einen Bildpunkt hinter einem dieser Felder scharfstellen – auf welches Feld, entscheidet die Kamera nach den Vorgaben des Herstellers.

Die sicherste Methode beim Scharfstellen ist der Einzelfeld-Autofokus mit dem mittleren Autofokusfeld

Solange alle Fokusfelder aktiv sind, ist Scharfstellen eine Lotterie.

Autofokus-Felder im Sucher
Leuchtet mehr als ein Feld auf, sind die Bereiche hinter diesen Autofokusfeldern gleich weit entfernt.

Video-Tutorial: Den Autofokus steuern

Durch das bloße Anvisieren der Szene vor dem Objektiv entscheidet der Fotograf nicht, wohin die Kamera die optimale Schärfe platziert. Der Autofokus sucht nach einem Kontrast in den Fokusfeldern. Bei einigen Motiven muss der Fotograf dem Autofokussystem der Kamera nachhelfen.

Den kleinen Trick gab es schon bei den analogen Kameras:

  • Schenken der Kamera auf das Hauptmotiv,
  • Auslöser halb bis zum ersten Druckpunkt drücken,
  • prüfen ob das richtige oder die richtigen Autofokusfelder akkurat sitzen,
  • Kamera mit halb gedrückten Auslöser zurückschwenken in den Bildaufbau,
  • erst jetzt auslösen.

Klingt kompliziert? Lohnt sich der Aufwand? Nein, zwei, drei mal üben, dann wird der Schwenk zur Routine. Ja, der Aufwand lohnt sich. Unscharfe Fotos werden immer seltener.

Warum werden so viele Fotos nicht richtig scharf?

Spiegelreflexkamera macht mehr unscharfe Fotos als Handykamera
  1. Der größere Sensor bringt eine kürzere Schärfentiefe mit als die Kompaktkamera oder das Handy. Die Spiegelreflex- und Systemkameras verzeihen ungenaues Scharfstellen nicht, während die Kompaktkamera und das Handy ungenaues Scharfstellen durch die lange Schärfentiefe kompensieren.
  2. Scharfstellen mit der SLR oder Systemkamera stellt höhere Ansprüche an den Fotografen – und Vollformatkameras wollen noch mehr Aufmerksamkeit. Wenn das Motiv nicht gerade in der Mitte des Sucherrahmens sitzt, muss der Fotograf dem Autofokus auf die Sprünge helfen. Woher soll der Autofokus wissen, wohin die Schärfe platziert werden soll?
  1. Einen kleinen Anteil trägt der Autofokus der Spiegelreflexkamera selbst bei: Der Autofokus der Spiegelreflexkamera ist auf Geschwindigkeit getrimmt und nicht auf Präzision.
  2. Auch die Kamera selbst führt in Einzelfällen zu unscharfen Fotos. Spiegelreflexkameras können einen Front- oder Backfokus haben – dann liegt die perfekte Schärfe einen Tick vor oder hinter dem fokussierten Motiv. In so einem Fall lässt man die Kamera vom Hersteller justieren – das machen alle Kamerahersteller kostenlos.

Der größte Teil der Fotografen schaltet alle Fokusfelder bis auf das mittlere Autofokusfeld aus und stellt mit dem einzelnen Fokusfeld den wichtigsten Teil des Motivs im Sucherrahmen scharf. Beim Porträt wird fast immer auf die Augen scharfgestellt. Erst dann wird die Kamera leicht für den endgültigen Bildaufbau geschwenkt, der Auslöser dabei aber leicht gedrückt gehalten. Der leicht gedrückte Auslöser speichert die Entfernung zum fokussierten Motiv, bis der Fotograf auslöst oder den Finger vom Auslöser nimmt.

Wenn man dieses kleine Ritual nur drei vier mal bewusst durchgeführt hat, geht es in Fleisch und Blut über. Natürlich funktioniert diese Technik nicht bei bewegten Motiven! Darum ist die Übung »Gruppenfoto im vollen Lauf« immer eine Lektion in allen Fotokursen.

Wenn die Kamera nicht auslöst

Es kommt schon mal vor, dass die Kamera nicht auslösen will – das passiert, wenn der Autofokus nicht scharfstellen kann. Mit gespitzten Ohren hören wir vielleicht, dass das Objektiv leise pumpt. Die Linsen fahren vor und zurück und finden keinen Kontrast zum scharfstellen.

Dann wird das mittlere Autofokusfeld auf ein Motiv in derselben Entfernung gerichtet wie das eigentliche Motiv, der Auslöser halb durchgedrückt, dann zurück in den Bildaufbau geschwenkt und ausgelöst.

Scharfstellen mit dem Live View

Die meisten Fotografen mit einer Spiegelreflexkamera ziehen noch immer den Sucher beim Scharfstellen vor. Das hat gute Gründe:

  1. Wenn die Kamera kein dreh- und schwenkbares Display hat, sondern der Monitor fest auf der Rückseite des Kameragehäuses angebracht ist, wäre es viel zu umständlich und zu unsicher, mit dem Live View scharf zu stellen
  2. Bei älteren Spiegelreflexkameras ist der Autofokus im Live View zu langsam
  3. Bei hellem Sonnenschein bietet der Live View auf dem Display der Kamera nicht genug Kontrast
Besser scharfstellen mit der Suchervergrößerung des Live-Views
Der Live-View der Canon 7D: Perfekt scharf stellen bei 10-facher Vergrößerung

Aber wer schon ein schwenkbares Display an seiner Spiegelreflexkamera hat, sollte das Scharfstellen mit dem Live View ruhig einmal probieren. Der Live View hat einen Zoom zu bieten, mit dem der Fokus ausgesprochen genau geprüft werden kann. Vor allem für ruhige Makroaufnahmen ist die Vergrößerung der Fokuszone um den Faktor 5 bis 10 – je nach Kamera – hilfreich.

Beratung bei der Wahl eines neuen Objektivs

Welches Objektiv ergänzt meine Kamera am besten? Wie kann ich als Einsteiger die Qualität eines Objektivs?

Einsteiger wünschen sich fast immer ein »richtig großes« Zoom-Objektiv, das im Anschluss schnell für leichten Frust sorgt. Große Brennweite, vor allem die Super-Teleobjektive, brauchen sehr kurze Belichtungszeiten, damit die Fotos nicht verwackeln und unscharf werden. Die Offenblende reicht beim Super-Tele oft nicht, so dass sehr oft ein hoher ISO-Wert angesetzt werden muss.

Große Brennweiten liefern zwar auch sehr schöne Porträts, aber in geschlossenen Räumen ist der Platz fast immer zu gering, um bei Feiern oder der festlich gedeckten Tafel mit einer großen Brennweite zu fotografieren. Am Ende sind Objekte mit großen Brennweiten viel zu groß, um sie immer mit dabei zu haben.

Unser Tipp: Nehmen Sie ihre Aufnahmen des letzten Jahres und prüfen Sie, welche Brennweiten besonders oft zum Einsatz kamen: So finden Sie heraus, ob Sie eher ein Weitwinkel- oder ein Teleobjektiv-Typ sind.

A 250 F10 + ISO 800 F10 250 DISP. 0 + - M x 10