Bildgestaltung mit der Kompaktkamera II

Wo bleibt der weiche Hintergrund?

Vielen Fotografen, die ihre Kompaktkamera hoch schätzen, fehlt dennoch die Unschärfe hinter dem Motiv: Kompaktkameras haben eine zu lange Schärfentiefe und können den Hintergrund nicht weichzeichnen.

Ihre Stärke liegt gerade in der lange Schärfe: als kleine Reisekamera in der Jackentasche für die Landschaftsfotografie bei der Bergwanderung, für Nahaufnahmen von kleinsten Blumen und Schmetterlingen.

Kompaktkamera Tiefenschärfe bei Blende F/7 Kompaktkamera Tiefenschärfe bei Blende F/2.4

Je größer ein kleines Motiv ins Bild gesetzt wird, desto schneller zieht die feine Unschärfe ins Bild, die das Motiv vom Hintergrund trennt.
Links: Stilleben Blende F/7, rechts Blende F/2.4

Der Beitrag der Brennweite (Zoom) zum weichen Hintergrund

Auch die Kompaktkamera kann Unschärfe hinter das Motiv setzen, wenn auch nur in gewissen Grenzen. Da die Schärfentiefe auch maßgeblich von der Abbildungsgröße abhängt, ist der erste Rat: Mit dem Zoom nah ran an das Motiv.

Das sorgt für eine Plastizität durch Unschärfe, an die wir über die Blende allein nicht gelangen.

Kompaktkamera und Unschärfe hinter dem Porträt.
Ein paar Schritte zurück, das Motiv kräftig heranzoomen und groß ins Bild setzen: Dann zeigt auch die Kompaktkamera die beliebte Unschärfe hinter dem Porträt.
Bokeh mit der Kompaktkamera.
Eine Stärke der Kompaktkamera ist die Makrofotografie oder Nahaufnahme: Bei gutem Licht und mit einer ruhigen Hand gelingt ein prächtiges Bokeh auch mit der Kompaktkamera.
Kleine Motive: wenig Schärfentiefe
Kleine Motive groß ins Bild setzen: kurze Schärfentiefe
Große Motive: lange Schärfentiefe
Große Motive klein ins Bild gesetzt: lange Schärfentiefe

Die Auflösung hinter dem Motiv wird dennoch nicht so hoch, wie bei einer Spiegelreflex- oder Systemkamera. Aber die Unschärfe reicht, um das Motiv plastisch herauszustellen. Teil 1: Bildgestaltung mit der Kompaktkamera

Leitsatz für die Schärfentiefe

Kleine Motive groß ins Bild setzen: kurze Schärfentiefe + weicher Hintergrund

Große Motive klein ins Bild gesetzt: lange Schärfentiefe + scharfer Hintergrund

Nur einen Tick größer ins Bild gesetzt – und die Unschärfe hinter dem Motiv ist schon stärker.

Die lange Schärfentiefe nutzen

Aber warum sollte ein Kameratyp einen anderen Kameratyp nachnahmen? Hochwertige Kompaktkameras sind hervorragende Begleiter für die Straßenfotografie, Dokumentationen, Architektur und Landschaft, für konzentrierte Porträts und für Gruppenaufnahmen … aber eben nicht für die Simulation einer SLR.

Statt nach dem Charakter anderer Kameras zu schielen, dürfen wir die Schärfentiefe einer Panasonic Lumix LX5, einer Sony Cybershot, Canon Powershot oder Nikon CoolPix ausnutzen. Sehen wir uns bei den Meistern der Fotografie um – z.B. bei Jenny Ellerbe oder Michael Eastman.

Jenny Ellerbe Jenny Ellerbe
Michael Eastman Michael Eastman

Da haben wir die beste Anleitung, wie mit langer Schärfe und der Konzentration auf das Motiv Raumtiefe und Plastizität ins Bild gesetzt werden. Im Gegensatz zur Spiegelreflexkamera muss in Landschafts- und Architekturfotos mit der Kompaktkamera nicht oder um höchstens ein oder zwei Blenden abgeblendet werden.

Raumtiefe ins Bild setzen

Eine Raumaufteilung, bei der wir aktiv Vorder-, Mittel- und Hintergrund einbeziehen und den Blick durch die Ebenen zum Motiv führen, gewinnt durch die lange Schärfentiefe der Kompaktkamera. Darüber hinaus kann die Dynamik eines solchen Bildaufbaus spannender sein als eine schlichte Unschärfe.

Räume plastisch fotografieren
Solche Räume brauchen keine Auflösung des Hintergrunds, sondern Schärfe von vorn bis hinten.
Kompaktkamera: kein aufgelöster Hintergrund
Landschaftsfotografie ist immer ein Fall für die lange Schärfentiefe.
Pluspunkt Kompaktkamera: Lange Schärfentiefe
Die Gasse im Morgenlicht ruft nach Schärfe ohne Ende – wohin sollte die Schärfenebene ansonsten wohl gesetzt werden?
Kompakt: Straßenfotografie
Der ideale Begleiter für die Straßenfotografie ist kompakt und hat Platz in der Manteltasche.

Also: Raus aus der braven Gestaltung der großformatigen Kameras und herausfinden, wie die Stärken der Kompaktkameras besser ausgenutzt werden.

Raumtiefe mit der System- oder Spiegelreflexkamera und einem APS-C- oder Vollformatsensor durch Schärfe ins Bild setzen ist technisch anspruchsvoll, denn die Blende der Spiegelreflex- und Systemkamera mit großem Sensor kann nicht beliebig geschlossen werden. Dabei dehnt sich die Schärfe zwar weiter aus, aber die Gesamtschärfe des Fotos nimmt bei kleinen Blenden rasant ab. Bei vielen SLR-Objektiven ist bei Blende 11 der nutzbare Blendenbereich schon überschritten.

Die Kompaktkamera hingegen erreicht die große Schärfentiefe für Landschaft und Architektur ohne dabei auf die kleinen Blenden zurückzugreifen. Das hält die Belichtungszeit kurz und bringt noch einmal zusätzliche Schärfe.

Trennen durch Helligkeit und Farbe

Gestaltungsmittel: Farbe
Farben gehören zu den schönsten Gestaltungsmitteln überhaupt. Hier wird keine Unschärfe gebraucht.
Monochrom: Helligkeitskonstrast als Gestaltungsmittel
Monochrome Bilder gewinnen durch einen Helligkeitskontrast.

Auch Farben, Helligkeiten und die Größenrelation trennen das Motiv von seiner Umgebung.

Kompaktkameras mit großen Brennweitenbereichen (10-fach, 20-fach-Zoom) wie bei der Bridgekamera sind keine Seltenheit. Aber bei der Größenrelation kommt uns der Trend zu immer weitwinkligeren Kompaktkameras entgegen, denn die kleine Brennweite setzt den Vordergrund überproportional groß ins Bild. Für Porträts mag das nicht der goldene Weg sein, aber Architektur und Landschaft vertragen eine Menge Weitwinkel.

Bildgestaltung kompakt

Fotos leben in einem hohen Maß von Kontrasten. Der Kontrast zwischen Schärfe und Unschärfe ist nur ein Mittel zur Bildgestaltung unter anderen. Genauso spannend sind

Helligkeitskontrast, Farbkontrast, Größenunterschiede, Raumwirkung

Das Auge muss nur ein wenig trainiert werden, damit es diese Elemente in einer Szene erkennt. Ein Rundgang um das Motiv herum offenbart oft bessere Positionen für ein Foto. Die Digitalkamera hat uns einen Vorteil gebracht, den die Fotografen mit dem Film nicht hatten: Wir können eine ganze Serie von einem Motiv aufnehmen, um die Wirkung der Perspektive und des Standpunkts zu vergleichen.

Porträts mit der Kompaktkamera

Von oben herab fotografiert
Von oben herab – aus der Augenhöhe des Fotografen will sich keiner von uns fotografieren lassen: Das macht klein und unproportioniert und das »von oben herab«-Foto zeigt den typischen Kompaktbild-Charakter.
Fotografieren aus der Mitte des geplanten Bildes
»Aus der Mitte des geplanten Bildes« ist ein guter Ausgangspunkt für Porträts. Wenn der Fotograf mit der Kompaktkamera Abstand hält und den Porträtierten leicht heranzoomt, stellt sich auch mit der Kompaktkamera ein weicher aufgelöster Hintergrund ein.
Besser fotografieren: Farben trennen Vordergrund und Hintergrund
Auch beim Porträt trennen Farben Vordergrund und Hintergrund. Auch wenn die Bäume im Hintergrund scharf über die gesamte Raumtiefe abgebildet sind: Das Grün der Bäume trennt die Gruppe vom Hintergrund.

Konzentrierte Porträts mit Normalbrennweiten (plus etwas mehr oder minus etwas weniger) brauchen entweder mehr Abstand oder die Nähe. Die Normalbrennweite (die etwa unserem Blickwinkel entspricht) erkennt man bei der Kompaktkamera meist an einem Strich zwischen Weitwinkel (herauszoomen) und Tele (heranzoomen). Für ansprechende Porträts ist die Kamera in Augenhöhe des Fotografen eine Unart (der »Feldherrenblick« auf das Opfer). Wenn die Kompaktkamera kein drehbares Display hat, ist die Bildgestaltung eine Turnübung und Belastungsprobe für die Kniegelenke und Rücken.

Ein weiterer Ratschlag für gute Porträts mit der Kompaktkamera: das Foto füllen. Wenn das Porträt nur einen kleinen Teil des Bildes ausfüllt, macht es klein und nebensächlich. Da die Abbildungsgröße auch eine Rolle bei der Auflösung im Hintergrund spielt: Wird das Porträt klein ins Bild gesetzt, kann sich keine wirkliche Unschärfe im Hintergrund entwickeln.

Um mit der Kompaktkamera Unschärfe hinter dem Porträt zu erzielen, muss der Fotograf auf Abstand gehen und eine größere Brennweite einsetzen – sprich: Zoomen.

Kompaktkamera mit kleinem Zoom vs großen Zoombereich
Kompaktkameras gibt es in zwei Geschmacksrichtungen: Kleiner Zoombereich mit lichtstarkem Spitzenobjektiv. Das ist die Kamera für die Landschafts- und Architekturfotografie, auch gut geeignet für Available Light in geschlossenen Räumen.
Auf der anderen Seiten haben wir Kompaktkameras mit einem »20x« oder sogar »40x« -Zoom – das ist die Brennweite des Objektivs. Diese Gattung holt vom Fuß der Alpen den Adler aus seinem Horst.

Tipps für Porträts mit der Kompaktkamera

Nicht von oben herab: fotografiert wird aus der Mitte des geplanten Bildes

Bildformat füllen, damit der Porträtierte nicht zur Nebensache wird

Große Brennweiten bringen Hintergrund-Unschärfe in Porträts mit der Kompaktkamera

Klassische Gestaltungsmittel für die Kompakte

Die Unschärfe des Hintergrunds ist der einfachste Weg zur Trennung von Motiv und Umgebung – gerade heute, wo wieder große Sensoren und große Anfangsblenden in den Objektiven diese Technik einfach machen. Neben der Unschärfe hinter dem Motiv gibt es viele Gestaltungsmittel: Den Vordergrund durch eine kürzere Brennweite betonen oder die Trennung des Motivs vom Hintergrund durch unterschiedliche Helligkeiten. Da muss man nur einmal sein Motiv mit dem aufmerksamen Auge des Fotografen umkreisen …